Unterrichtseinheit 3. Durchführung partizipativer Jugendprojekte unter Beteiligung der Kommune

Lernziele:

  • 1) Förderung unternehmerischer Kompetenzen bei den Teilnehmern und Weiterentwicklung ihrer Fähigkeiten zur Lösung von Problemen;
  • 2) Kennenlernen unterschiedlicher Techniken der Projektplanung, Analyse einer realen Situation und Aufzeigen von Problemlösungen.

Benötigte Hilfsmittel und Zusatzmaterialien:

  • Tafel, Flipchart o. Ä.;
  • Fotos aus früheren Projekten (siehe Anlage), sofern vorhanden.

Zeitdauer: 2 Übungseinheiten à 45 Minuten, insgesamt 90 Minuten.

Allgemeine Empfehlungen an den Moderator / Workshopleiter

  • Ein Teil aus Übung 2 kann auch als Hausaufgabe erledigt werden. Das spart 10-15 Minuten der Übungszeit vor Ort.
  • Empfohlenes Alter der Teilnehmer: mindestens 14 Jahre. Sind die Teilnehmer jünger, sollten Sie ggf. 15-25 Minuten mehr Übungszeit einplanen.

Begrifflichkeiten

Interessierte Partner (stakeholders): alle interessierten Personen oder Organisationen, die Einfluss auf die Umsetzung eines Projektes haben oder deren Interessen durch die Umsetzung des Projektes positiv oder negativ beeinflusst werden.

Unternehmerische Kompetenz (entrepreneurship): „Eigeninitiative und unternehmerische Kompetenz ist die Fähigkeit des Einzelnen, Ideen in die Tat umzusetzen. Dies erfordert Kreativität, Innovation und Risikobereitschaft sowie die Fähigkeit, Projekte zu planen und durchzuführen, um bestimmte Ziele zu erreichen. Unternehmerische Kompetenz hilft dem Einzelnen nicht nur in seinem täglichen Leben zu Hause oder in der Gesellschaft, sondern ermöglicht ihm auch, am Arbeitsplatz den Inhalt seiner Tätigkeit zu verstehen und Chancen zu ergreifen; sie ist die Grundlage für die besonderen Fähigkeiten und Kenntnisse, die man für die Organisation einer gesellschaftlichen oder gewerblichen Tätigkeit sowie für eine Teilnahme an ihr braucht. Dazu sollte ein Bewusstsein für ethische Werte und die Förderung einer guten Unternehmensführung gehören.“ („Schlüsselkompetenzen für lebenslanges Lernen – Ein europäischer Referenzrahmen“).

Projekt: Hier gibt es eine Vielzahl von Definitionen, zum Beispiel:

  • Deutschland, DIN 69901. Ein Projekt ist ein Vorhaben, das im Wesentlichen durch Einmaligkeit der Bedingungen in ihrer Gesamtheit gekennzeichnet ist. Dazu gehören Zielvorgabe, zeitliche, finanzielle, personelle und andere Begrenzungen, Abgrenzungen gegenüber anderen Vorhaben, projektspezifische Organisation.

Philip Baguley. Ein Projekt ist eine Abfolge von Aktivitäten, die miteinander im Zusammenhang stehen, in einem begrenzten Zeitraum durchgeführt werden müssen und ein einmaliges, im Vorhinein definiertes Ergebnis erzielen sollen.

Ablauf

Teil 1

Phase I. Herausforderung (Provokation)

Erläutern Sie den Teilnehmern die Lernziele und das Schema „Knochen“ (Abbildung 1). Erklären Sie mithilfe des Schemas das Wesen von Projekten. Heben Sie hervor, dass ein Projekt ein Plan ist, mit dessen Hilfe der unerwünschte IST-Zustand einer Situation in einen gewünschten SOLL-Zustand verändert werden kann.

+ Was hilft?

 

‒ Was stört?

Abbildung 1. Schema „Knochen“.

Stellen Sie den Teilnehmern folgende Fragen:

  • Haben Sie schon einmal von partizipativen Jugendprojekten unter Beteiligung der Kommune gehört bzw. Erfahrungen mit solchen Projekten machen können?
  • Inwieweit können die Nutznießer (Begünstigten) eines Projekts und Jugendliche aus der Kommune selbst in die Projektentwicklung und -umsetzung eingebunden werden? (Führen Sie bei Bedarf Beispiele an.)
  • Warum braucht es solche Projekte? (Heben Sie hervor, dass die Kommune am besten weiß, was sie braucht. Zudem werden die Jugendlichen auf diese Weise befähigt, sich bürgerschaftlich zu engagieren, was für die Zukunft von großem Vorteil ist.)

Fragen Sie die Teilnehmer nach Beantwortung der o. g. Fragen, welche konkrete Situation sie in ihrer eigenen Gemeinschaft verändern und welche SOLL-Situation sie anstreben würden. (Weisen Sie die Teilnehmer darauf hin, dass es sich dabei nicht um Fragen der Menschheit insgesamt oder Probleme globaler Natur handeln sollte.) Als Themen könnten z. B. beschädigte Sport- oder Spielplätze, der achtlose Umgang der Bevölkerung mit der Umwelt, der Verzehr ungesunder Lebensmittel, der unzureichende Lärmschutz in der Dorfdiskothek oder Ähnliches aufgegriffen werden. Schreiben Sie die von den Teilnehmern genannten Themen an die Tafel. Lassen Sie die Teilnehmer in Kleingruppen das „Knochen“-Schema testen oder nutzen Sie die Brainstorming-Methode. Erklären Sie den Teilnehmern, dass die angestrebte SOLL-Situation realistisch und umsetzbar sein muss.

Diskutieren Sie mit den Teilnehmern, wie wichtig die Unterstützung durch Gleichgesinnte oder die Einflussnahme auf andere für die Umsetzung eines Projektes sind. Erläutern Sie, was „interessierte Partner“ sind und welche Bedeutung sie haben. Sagen Sie den Teilnehmern, dass Sie sie in der Technik der Analyse interessierter Partner unterrichten. Diese Technik ist gut geeignet, um ein beliebiges Ziel wirksam zu planen und Prozesse zu beeinflussen.

Phase II. Wissensvermittlung

Teilen Sie die Teilnehmer in Gruppen ein und lassen Sie jede Gruppe ein Thema von der Tafel auswählen oder sich selbst ein Thema ausdenken, das sie bearbeiten möchten.

Fordern Sie sie zunächst auf, 3-5 interessierte Partner zu benennen.

Als Beispiel nehmen wir ein reales Projekt aus einer finanzschwachen Gemeinde, das von Schülern der oberen Klassenstufen umgesetzt wurde. Die Schüler wollten gerne ein Freizeitareal in ihrer Gemeinde gestalten, mit Kinderschaukeln und Erholungsmöglichkeiten für Erwachsene. Das Areal sollte ein Ort der Begegnung und der Erholung werden, an dem auch wichtige Fragen der Gemeinde diskutiert werden können.

Folgende Partner sind an diesem Projekt interessiert:

  • die Dorfkinder, die die Schaukeln und den Sandkasten nutzen möchten;
  • ihre Eltern, die das Areal als Freizeitort für sich und ihre Kinder nutzen können;
  • die Gemeindeverwaltung, die durch ihre Entscheidung Einfluss auf den Prozess nimmt;
  • die Einwohner der Gemeinde (außer den Kindern und deren Eltern), die einen gewissen Beitrag zu diesem Prozess leisten können;
  • Sponsoren und Stiftungen, die sich um die Probleme der Gemeinde und der Jugendlichen kümmern.

Fordern Sie die Schüler auf, die interessierten Partner ihres Projektes aufzuzählen und herauszufinden, welches Interesse sie verfolgen und welchen Einfluss sie auf den Prozess haben (hierzu können die Schüler von 0 bis 5 Punkte verteilen, wobei 5 Punkte an den Partner mit dem größten Interesse bzw. Einfluss vergeben werden). Zeichnen Sie Tabelle 1 als Orientierung für die Teilnehmer an die Tafel und zeigen Sie ihnen, wie sie auszufüllen ist.

Tabelle 1

Analyse der interessierten Partner

 

Interessierter Partner

Interesse

Einfluss

Punkte

Erläuterung

Punkte

Erläuterung

Kinder

1

sind sich ihrer Interessen nicht voll bewusst

0

 

 

Eltern

5

 

1

 

 

Gemeindeverwaltung

1

 

5

Eigentümer des Grundstücks und zum Teil auch der Ressourcen

Einwohner der Gemeinde

2

 

3

können beim Bau und bei anderen Arbeiten helfen, verfügen über bestimmte Ressourcen

Sponsoren / Stiftungen

3

kümmern sich um die Probleme der Gemeinde

4

können einen Teil der Ressourcen oder  Fördermittel zur Verfügung stellen

Zeigen Sie nun den Teilnehmern, wie die Angaben in das folgende Schema (Abbildung 2) übertragen werden. Die horizontale Achse bezeichnet das Interesse des jeweiligen Partners, die vertikale Achse dessen Einfluss auf den Prozess. Am Schnittpunkt der beiden Achsen wird der Name des Partners eingetragen. Je größer das Interesse und/oder der Einfluss sind, umso weiter ist dieser Punkt von Null entfernt. Mit einem Stern wird die gewünschte („ideale“) Position mit maximalem Interesse und Einfluss eines Partners markiert.

Abbildung 2. Anordnung der einzelnen Partner in Abhängigkeit von ihrem Interesse und ihren Einflussmöglichkeiten auf den Entscheidungsprozess.

Erklären Sie den Teilnehmern, dass sich diese Angaben von Gemeinde zu Gemeinde unterscheiden können und deshalb die Beteiligung der Gemeinde selbst an der Erhebung dieser Daten entscheidend ist.

Zeigen Sie anhand des oben genannten Beispiels, wie Tabelle 2 auszufüllen ist, und fordern Sie die Gruppen auf, effektive Strategien für ihre jeweiligen Themen zu entwickeln. Am einfachsten geht das mithilfe der Tabelle (sie muss aber nicht genutzt werden).

 

Tabelle 2

Schema zur Analyse der interessierten Partner

 

Nr.

Interessierter Partner

Effektive Strategie

Konkrete Aktionen

1

Kinder

Einflussnahme auf Kinder bringt nichts, da ihr Interesse und Einfluss gering sind

2

Eltern

Interesse der Eltern nutzen, um ihren Einfluss auf den Prozess zu erhöhen

den Eltern die gesetzlichen Rahmenbedingungen erläutern, sie für eine Unterschriftenaktion gewinnen, damit die Gemeindeverwaltung das Grundstück zur Verfügung stellt

3

Gemeindeverwaltung

Interesse der Gemeindeverwaltung am Prozess verstärken

Treffen Jugendlicher mit Vertretern der Gemeindeverwaltung, Übergabe des Antrags auf Bereitstellung eines Grundstücks mit Unterschriftenliste, Hinweis auf den Vorteil, den die Gemeindeverwaltung bei den nächsten Wahlen aus dieser Unterstützung ziehen wird

4

Einwohner der Gemeinde

Interesse der Einwohner am Prozess verstärken

Schüler der oberen Klassenstufen teilen Adressen unter sich auf und gehen von Haus zu Haus, treffen sich mit Nachbarn und diskutieren mit ihnen, erklären Nutzen des Freizeitareals für gesamte Gemeinde, überzeugen Einwohner, den Antrag zur Bereitstellung eines Grundstücks durch die Gemeindeverwaltung zu unterzeichnen; erklären Einwohnern, wie sie dem ganzen Dorf helfen und welche Ressourcen sie für das Gemeinwohl zur Verfügung stellen können

5

Sponsoren / Stiftungen

Interesse von Sponsoren und Stiftungen am Prozess verstärken

Schüler der oberen Klassen (Mitglieder im Klub für bürgerschaftliche Bildung) beteiligen sich an der Ausschreibung zum Erhalt von Fördermitteln

Phase III. Auswertung

Nach Beendigung ihrer Arbeit stellen die Gruppen ihre Ergebnisse vor. Bitten Sie die anderen Gruppen, die Rolle von Experten zu übernehmen, d. h. sich während der Präsentation der Ergebnisse einer Gruppe in deren Situation hineinzuversetzen und sich zu fragen, ob sie zu denselben Ergebnissen gekommen wären.

Fassen Sie die Übung zusammen und versichern Sie den Teilnehmern, dass es ihnen nunmehr leichtfallen wird, konkrete ergebnisorientierte Arbeitspläne zu erstellen.

Teil 2

Phase I. Herausforderung (Provokation)

Erklären Sie den Teilnehmern, dass bewährte Verfahren für die effektive Planung einer Handlung oder Maßnahme existieren. Führen Sie die Teilnehmer in die „5-W-Methode“ ein (Abbildung 3).

 

Abbildung 3. Effektive Planung mithilfe der „5-W-Methode“.

(Einige Autoren setzen eine sechste W-Frage hinzu: WIE?)

 

Weisen Sie die Teilnehmer darauf hin, dass sie für die Planung einer jeden Maßnahme die 5-W-Fragen beantworten müssen.

Phase II. Wissensvermittlung

Den weiteren Übungsablauf können Sie unterschiedlich gestalten.

  • Sie können die Planung einer Maßnahme als Hausaufgabe erteilen. Planen Sie in diesem Fall zu Beginn der nächsten Übungsstunde Zeit ein, damit die Teilnehmer in ihren Gruppen ihre Ideen austauschen und einen konkreten Arbeitsplan erstellen können.
  • Sie können die Teilnehmer in ihren Gruppen weiterarbeiten und dann ausführen lassen, welche konkreten Maßnahmen effektiv wären, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Dazu müssen die Teilnehmer einen konkreten Aktionsplan erstellen und abstimmen.

Phase III. Auswertung

Wenn die Jugendlichen ihre Arbeit beendet haben und die Projekte aller Gruppen vorgestellt wurden, sollten Sie jeder Gruppe ein angemessenes Feedback geben. Betonen Sie die positiven Seiten und geben Sie mithilfe von Fragen Hinweise, wie die schwachen Seiten verbessert werden können.

Erinnern Sie die Teilnehmer noch einmal an die Lernziele und lassen Sie sie Bilanz ziehen, welche neuen Erkenntnisse und Fähigkeiten sie erworben haben. Fragen Sie, warum und für wen das wichtig ist.

Als Beispiel können Sie die Ergebnisse vorstellen, die die Schüler der Gemeinde in ihrem Projekt (siehe Übung 1) erzielten. Sie sammelten Unterschriften und wandten sich an die Gemeindeverwaltung. Gleichzeitig erarbeiteten sie mithilfe eines Beraters einen Projektentwurf und bekamen eine kleine Fördersumme. Die Gemeinde überließ ihnen ein passendes Grundstück zur Nutzung. Von den Fördermitteln kauften sie Material für eine Umzäunung. Einwohner der Gemeinde spendeten den Schülern Farbe, Holzlatten, alte Behältnisse und ausgesonderte Reifen. Die Eltern übernahmen die Montagearbeiten. Eine Umweltorganisation spendete den Schülern Setzlinge. Zur Eröffnung des Freizeitareals wurden alle interessierten Partner sowie Medienvertreter eingeladen. Die Gemeindevertreter zeigten sich sehr zufrieden mit dem Ergebnis, sprachen mit den Einwohnern und beschlossen, auf eigene Initiative eine Nachtbeleuchtung zu installieren und – kurzfristig vor den Wahlen – ein weiteres Grundstück für dieses Projekt zur Verfügung zu stellen. Fotos der Projektergebnisse finden Sie in der Anlage.