Teil I. „Richtig wählen lernen“

Unterrichtseinheit 1: Rollenspiel „Politopolis“

Unser Dank geht an Max Valentin für die Idee dieses wunderbaren Spiels und die vielen Co-Autoren aus der Schweiz, Belarus und Russland. Unmöglich, sie alle namentlich zu erwähnen☺.

 

Lernziel

Sie können „Politopolis“ mit unterschiedlichen Zielstellungen spielen. Ändern Sie je nach ausgewähltem Thema den Einführungsteil und erstellen Sie Fragen als Denkanregung für die Teilnehmer. Wenn Sie ausreichend Zeit haben, können Sie sich mehrere Spielziele setzen, müssen jedoch nicht alle erreichen. Wählen Sie maximal 2-3 Ziele.

Auswahl an möglichen Spielzielen:

  • Einführung in die wichtigsten Verwaltungsbereiche einer Stadt, Überlegungen zur Notwendigkeit einer ausgewogenen Entwicklung aller Funktionsbereiche einer Stadt;
  • Kennenlernen demokratischer Entscheidungsmöglichkeiten, eigenes Erproben unterschiedlicher demokratischer Verfahrensweisen;
  • Herausarbeiten des Unterschiedes zwischen Sozialstaat und liberalem Staat, Entscheidung für eines der beiden Staatsmodelle;
  • Nachdenken über den Widerspruch zwischen persönlichen und allgemeinen Zielen; Versuch, diesen Widerspruch im Laufe des Spiels aufzulösen;
  • Einblick in die Thematik des Staatshaushaltes.

Benötigte Hilfsmittel und Zusatzmaterialien:

  • Funktionsbereichskarten [1];
  • Rollenkarten [1];
  • Ereigniskarten [1];
  • „1 Milliarde“-Geldkarten (40 Karten pro Spiel) [1];
  • Würfel (nach Möglichkeit nicht mit 1 bis 6, sondern mit 1 bis 3 Punkten) oder Zufallsgeneratoren [1] je nach Anzahl der Spieltische;
  • Ausdrucke echter föderaler, regionaler und lokaler Haushaltsdokumente für das laufende (kommende) Jahr.

Ablauf

Phase I. Spieleinführung

Dieses Spiel ist für 5 Teilnehmer ausgelegt. Es können mehrere Spiele gleichzeitig stattfinden (wenn die Klasse z. B. 25 Schüler umfasst, ist es sinnvoll, parallel 5 Spiele mit anschließender gemeinsamer Diskussion zu organisieren). Das macht die Sache sogar interessanter, denn in der Diskussion können die Entwicklungen in den verschiedenen „Politopoleis“ miteinander verglichen werden. Lässt sich die Anzahl der Spieler nicht durch 5 teilen, müssen einige Teilnehmer zusammen für eine der Parteien spielen.

Fragen Sie die Teilnehmer vor Spielbeginn, ob die Spielregeln und -ziele klar sind, beantworten Sie gegebenenfalls Fragen. Lesen Sie den Spielern folgende Einführung vor oder geben Sie diese mit eigenen Worten wieder.

„Ich gratuliere Ihnen! Soeben konstituierte sich der Stadtrat von Politopolis. In ihm sind 5 Parteien mit jeweils gleich vielen Abgeordneten vertreten. Demnach hat im neuen Parlament keine der Parteien eine Mehrheit. Und Sie sind die Vorsitzenden ihrer jeweiligen Fraktion in Politopolis.

Ihre erste Aufgabe besteht darin, eine kurze, maximal zweiminütige Rede vor allen Stadtverordneten zu halten, um Ihre Prioritäten in Bezug auf die Weiterentwicklung der Stadt darzulegen und kurz zu begründen. Die Prioritäten, für die sich Ihre Partei einsetzt, stehen auf Ihrer Rollenkarte. Sie sollten sie in Ihrer Rede direkt und offen ansprechen, um Verbündete für sich zu gewinnen.

Sobald die Vertreter aller Parteien ihre Einführungsreden gehalten haben, beginnt Ihre Arbeit als Stadtverordneter. Der Stadtrat wurde in dieser Zusammensetzung für insgesamt 4 Jahre gewählt, wobei 1 Jahr einer Spielrunde entspricht. Pro Runde würfeln alle Spieler nacheinander jeweils einmal.

Wer eine 1 würfelt, darf einen Spielstein von einem beliebigen Funktionsbereich des Spielfeldes in einen anderen versetzen.

Wer eine 2 würfelt, darf zwei Spielsteine von einem beliebigen Funktionsbereich des Spielfeldes in einen anderen versetzen.

Wer eine 3 würfelt, darf eine Ereigniskarte ziehen und folgt der Anweisung auf der Karte.

Ihre Aufgabe ist es zudem, im Laufe des Spiels die Haushaltsmittel zu verteilen. Manchmal stehen mehr, manchmal weniger Mittel zur Verfügung.

Sie müssen dabei aus folgendem Dilemma einen Ausweg finden: Einerseits ist es für die Stadt insgesamt besser, wenn sich alle Funktionsbereiche gleichmäßig entwickeln. Andererseits wird die Partei bei der nächsten Wahl größere Chancen auf einen Sieg haben, wenn sie ihre Versprechen aus dem Wahlprogramm einlöst und die verfügbaren Gelder in die Wirtschaftszweige investiert, die sie zur Priorität erklärt hat.

Die Stadträte der verschiedenen Städte konkurrieren miteinander. Gewinner ist der Stadtrat, der über die meisten Ressourcen auf dem Spielfeld verfügt.

In jeder Stadt wird zudem die effizienteste Partei bestimmt. Es gewinnt die Partei, die die meisten Punkte auf sich vereinigen konnte. Die Punkte werden nach Abschluss der 4 Spieljahre zusammengezählt. Für jede Ressource in dem Feld, das oberste Priorität Ihrer Partei ist, erhalten Sie 2 Punkte. Für jede Ressource in dem Feld, das die anderen Schwerpunkte Ihrer Partei abdeckt, erhalten Sie 1 Punkt.“

Spielvorbereitung:

  • Legen Sie die Karten mit den Funktionsbereichen des Stadtrates auf den Spieltisch.
  • Legen Sie auf jedes Funktionsfeld einen Betrag von 2 Milliarden. Die anderen „1 Milliarde“-Geldkarten platzieren Sie als Stapel außerhalb des Spielfeldes. Daneben legen Sie den Stapel mit den Ereigniskarten.
  • Legen Sie die Rollenkarten fächerförmig und verdeckt auf den Tisch. Danach zieht jeder Spieler eine Rollenkarte.
  • Legen Sie auf jeden Spieltisch einen Würfel oder Zufallsgenerator.

Phase II. Spielablauf

Jeder Spieler nimmt sich eine Rollenkarte und hat 3 Minuten Zeit, sich mit dem Inhalt der Karte vertraut zu machen.

Danach beginnen die einzelnen Gruppen das Spiel. Nach Beendigung des Spiels werden die Punkte gezählt. Verfolgen Sie den Spielablauf an den Tischen und helfen Sie den Spielern bei Bedarf.

Phase III. Spielauswertung

Haben alle Gruppen das Spiel beendet und die Punkte gezählt, sollten Sie an die Auswertung denken.

Liste der möglichen Fragen und Diskussionsthemen:

  • Waren die getroffenen Entscheidungen gerecht? Warum? Wenn nicht, wie müsste das Verfahren aussehen, damit alle die Entscheidung als gerecht empfinden?
  • Welche demokratischen Entscheidungsverfahren haben Sie ausprobiert? Welche Vorteile und Nachteile hatten diese Verfahren?
  • Sind Sie zufrieden mit den getroffenen Entscheidungen? Warum?
  • Sollte Gerechtigkeit der wichtigste Faktor im Entscheidungsprozess sein? Warum?
  • Welchem tatsächlichen Parteiprogramm ähnelt das Programm Ihrer Spiel-Partei? Worin genau bestehen die Ähnlichkeiten?
  • Inwieweit sind Sie bei der Entscheidungsfindung dem Programm Ihrer Partei gefolgt? Welche Faktoren außerhalb des Parteiprogramms beeinflussten Ihre Entscheidungen? Welchen Einflüssen sind Abgeordnete im realen Leben bei der Entscheidungsfindung sonst noch ausgesetzt?
  • Für welche Partei würden Sie als unabhängiger Wähler stimmen und warum?
  • Was müssen Sie als Wähler außerdem bedenken, wenn Sie bei Parlamentswahlen Ihre Stimme abgeben?
  • Wann finden die nächsten Wahlen in Ihrer Region statt? Wer wird daran teilnehmen und mit welchem Programm?
  • Welchen Ausweg haben Sie aus dem beschriebenen Dilemma gefunden: Handelten Sie im Interesse der Stadt oder im Interesse Ihrer Partei und im eigenen Interesse?
  • Wie lässt sich nachvollziehen, ob die Arbeit der Stadtverordneten ihrem jeweiligen Programm entspricht oder nicht?
  • Was ist ein Haushalt? Wie setzt er sich zusammen?
  • In unserem Spiel ging es um den Kommunalhaushalt. Worin unterscheidet sich der Kommunalhaushalt vom Staats- bzw. Regionalhaushalt?
  • Wie stark entsprach die gespielte Debatte einer echten Haushaltsdebatte? Welche Gemeinsamkeiten und welche Unterschiede gibt es zwischen der Debatte im Spiel und einer echten Haushaltsdebatte?
  • In welchem Verfahren wird der Staatshaushalt in Deutschland verabschiedet? Wie erfolgt die Verabschiedung eines Kommunalhaushalts?
  • Wenn man den Staats-, den Regional- und den Kommunalhaushalt in Euro pro Einwohner umrechnet, wieviel Euro sind das dann jeweils pro Kopf? Welches sind die größten Posten in den Einnahmen und Ausgaben des Staats-, des Regional- und des Kommunalhaushalts? (Lassen Sie die Schüler bei diesen Fragen ruhig raten. Teilen Sie ihnen danach Ausdrucke des laufenden (kommenden) Haushaltsjahres aus und analysieren Sie gemeinsam mit ihnen die Haushaltsaufstellungen).
  • Welches sind in Deutschland die Hauptprobleme bei der Aufstellung und der Ausführung eines Haushaltes und bei der Kontrolle des Haushaltsvollzugs?
  • Wer kontrolliert in Deutschland den Haushaltsvollzug auf den verschiedenen Ebenen und wie erfolgt diese Kontrolle? Welche staatlichen Organe und welche gesellschaftlichen Strukturen befassen sich damit?

 

Quellenverzeichnis
  1. Бюджет государства: описание урока // Школьные проекты: URL: http://shpspb.ru/lesson_content/byudzhet-gosudarstva-opisanie-uroka/ (Stand vom 10.10.2017). (Staatshaushalt: Unterrichtsbeschreibung // Schulprojekte).