Der andauernde Konflikt in der Ostukraine stellt die ukrainische Gesellschaft vor wachsende Herausforderungen. Neben den unmittelbaren Kriegsereignissen, – wie die zu beklagenden Toten und Verwundeten, Folter und Vertreibung – werden die Langzeitfolgen des Krieges immer sichtbarer.
Ein erheblicher Teil der ukrainischen Bevölkerung ist durch den direkten oder indirekten Kontakt mit dem Kriegsgeschehen von Traumatisierung betroffen. In der Gesellschaft lässt sich ein kriegsbedingter Anstieg von häuslicher Gewalt beobachten, der sich durch alle Schichten zieht. Zwischen Binnenvertriebenen und den lokalen Aufnahmegesellschaften kommt es zu sozialen Spannungen, Kriegsrückkehrer müssen in die Gesellschaft reintegriert werden. Die mittel-und unmittelbare Kriegsbetroffenheit weiter Teile der ukrainischen Bevölkerung ruft neue soziale Konflikte hervor. Vor allem Binnenflüchtlinge sowie Kriegsteilnehmer und ihre Familienangehörigen müssen vermehrt Erfahrungen von Diskriminierung machen. Diese Auswirkungen des militärischen Konfliktes in der Ostukraine bergen vielfältiges neues Konfliktpotential in sich.
Die Zivilgesellschaft in der Ukraine ist gegenwärtig die zentrale gesellschaftliche Kraft, die versucht, diesen zahlreichen Problemen und Konflikten auf effektive Weise zu begegnen. Nichtregierungsorganisationen, Initiativen und Aktivist_innen leisten die so dringend notwendige Unterstützung der von Krieg und Gewalt Betroffenen. Sie sind es, die humanitäre Hilfe verteilen, Menschen aus dem Kriegsgebiet evakuieren, Binnenflüchtlingen bei der Wohnungs- und Arbeitssuche helfen und Dialoge zur Lösung der genannten sozialen Konflikte initiieren. Die kostenfreien traumatherapeutischen Angebote für die Bevölkerung sind auf das ehrenamtliche Engagement von Psycholog_innen zurückzuführen, von denen aber nicht alle über die dringend benötigte Qualifizierung verfügen. Jedoch nimmt als Folge der seit zwei Jahren andauernden permanenten Belastung der Zivilgesellschaft das Burn-Out-Risiko weiter zu und hat das ehrenamtliche Engagement deutlich abgenommen.
Die erwähnten Probleme, die in der Ukraine derzeit hochaktuell sind, sind auch in anderen derzeitigen oder ehemaligen Konfliktgebieten der Region zu finden. So kennen zivilgesellschaftliche Organisationen in Georgien, Armenien und dem Nordkaukasus die Probleme und sozialen Spannungen, die aus einer ungenügenden Integration von Binnenvertriebenen und Flüchtlingen erwachsen oder das Problem der kriegsbedingten häuslichen Gewalt. Diese Länder haben bereits, wie mittlerweile auch die Ukraine, eigene effektive Lösungsansätze entwickelt und verfügen über jeweils spezifische Erfahrungen und Kompetenzen in der Konfliktnachsorge.
Hier setzt das Projekt „Kriegsfolgen gemeinsam überwinden an“. Ziel ist es, den Friedens- und Dialogprozess in der Ukraine zu befördern, indem die Zivilgesellschaft bei der Bearbeitung der aus dem Krieg in der Ostukraine resultierenden gesellschaftlichen Konflikte unterstützt wird. So soll Folgekonflikten vorgebeugt und zu einem langfristigen Friedensprozess beigetragen werden.
Um die ukrainische Zivilgesellschaft in der Konfliktbearbeitung zu stärken, werden ihre Akteur_innen gezielt durch Wissen und Arbeitserfahrungen aus anderen osteuropäischen (Nach-)Kriegsgebieten professionalisiert. Gleichzeitig wird die regionale und zivilgesellschaftliche Vernetzung zwischen Armenien, Georgien, dem russischen Nordkaukasus und der Ukraine ausgebaut und verstetigt. Fachlicher Austausch und Erfahrungstransfer in Konfliktbearbeitung, Dialog- und Friedensarbeit ermöglichen die langfristige gemeinsame Lösungsfindung in diesem Bereich und tragen so zu einer langfristigen Stabilisierung der Region bei.
Die Arbeit des Projektes ist durch die folgenden vier Merkmale gekennzeichnet:
Der DRA e.V. realisiert das Projekt gemeinsam mit seinem ukrainischen Hauptpartner, der Organisation „Kraina vilnych ljudej“ mit Sitz in Kramatorsk und Lviv sowie folgenden weiteren Partnerorganisationen: „Unsere Zukunft“ in Saporozhije (Ukraine), Caritas Armenien, der Stiftung „Sukhumi“ aus Georgien, der East Europe Foundation in Kiew sowie dem ChildFund Deutschland. Außerdem kooperieren wir für spezielle Themenbereiche mit dem „Zentrum Überleben“, dem „Behandlungszentrum für Folteropfer“ und „Perspektivwechsel Plus“ in Berlin sowie dem Berliner Institut für Konflikttransformation und Dialogarbeit „re-flow“.
Damit setzt der DRA e.V. seine Friedensarbeit und Konfliktnachsorge in der Ukraine fort, die er in den beiden Vorgängerprojekten „Empowerment von Menschenrechts-NGOs aus der Süd- und Ostukraine“ und „Kriegsfolgen gemeinsam überwinden – Schulungen zur Bewältigung der Kriegsfolgen“ (2014-2016) begonnen hat, und entwickelt sie gemeinsam mit seinem multinationalen Partnernetzwerk weiter.
Das Projekt wird vom Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland gefördert.
Mehr Informationen zum Projekt finden Sie auf unserer Webseite.
Ansprechpartner für das Projekt im DRA ist:
Maria Slesazeck
Projektleiterin
maria.slesazeck@austausch.org