Aktive Rehabilitation und Integration von Behinderten

Seit ihrer Gründung 1994 arbeitete der DRA eng mit der St. Petersburger Behindertenorganisation "Perspektivy" zusammen. Von einer kleinen deutsch-russischen Initiative ist die Organisation seither zu einem großen, russischen freien Träger von Behindertenarbeit in der Stadt herangewachsen, mit mehr als 100 Mitarbeiter_innen, einem großen Ehrenamtlichen-Programm und mehreren inhaltlichen Ausrichtungen. Grundprinzip war seit jeher die aktive und individuelle Unterstützung und Rehabilitation der Menschen, um ihnen eine größtmögliche Selbstständigkeit und Entwicklung zu ermöglichen.

Perspektivy arbeitet heute:

  • im staatlichen psychoneurologischen Internat (Heim) Nr. 4 in Pavlovsk mit mehrfach schwerstbehinderten Kindern
  • im staatlichen psychoneurologischen Internat (Heim) Nr. 3 in Peterhof mit mehrfach schwerstbehinderten Erwachsenen
  • in der Entwicklung von Selbsthilfegruppen und Tagesstätten für Eltern von behinderten Kindern in St. Petersburg
  • in der Unterstützung von weiteren Eltern- und Bürgerinitiativen für die Begleitung und Förderung von Behinderten
  • der Standardisierung von Qualitätsanforderungen durch Behörden

Siehe: www.perspektivy.ru (russ.), www.perspektiven-verein.de (dt.).


Der DRA hat Perspektivy zunächst viele Jahre lang durch die Vermittlung von Freiwilligen aus verschiedenen Ländern Europas unterstützt.

Seit 2005 haben der DRA und Perspektivy darüber hinaus mehrere gemeinsame Projekte durchgeführt:

I. Ein Haus des Lebens und Arbeitens für mehrfachbehinderte Menschen (2005-2007)

Als ein Schritt in Richtung Integration von behinderten Menschen in die Gesellschaft wurde von "Perspektivy" und der Hamburger Werkstatt mit Unterstützung der Behindertenhilfe Hamburg und des DRA ein Haus des Lebens und Arbeitens für mehrfachbehinderte Menschen in St. Petersburg eingerichtet.

Das Projekt sieht die modellhafte Umstrukturierung einer Abteilung im staatlichen psycho-neurologischen Internats Nr. 3 für Menschen mit Behinderungen in Peterhof vor. Ein Trainingsprogramm, das Seminare in St. Petersburg und längere Hospitationen in Hamburg umfasst, ermöglichte MitarbeiterInnen des Internats die Auseinandersetzung mit modernen therapeutischen und pädagogischen Methoden. Die Ergebnisse wurden später an andere Behinderteneinrichtungen in der Region weitervermittelt.

Förderung: EU im Rahmen des Institution Building Partnership (IBPP)-Programms

II. „Verbesserung des Alltags für junge Erwachsene mit Mehrfach-behinderungen“ im Internat Nr. 3 Peterhof (2008)

Im Projekt im Psychoneurologischen Internat Nr. 3 in Peterhof wurde eine Station des Heims wohnlicher gestaltet. Außerdem wurde in der Aufnahmeabteilung, auf der die Betreuten bis dahin oft mehrere Wochen isoliert und untätig zubrachten, ein Raum für Spiele und aktive Beschäftigung geschaffen. Eine Station für junge Männer leistet jetzt nicht mehr nur hygienische Grundversorgung, sondern auch intensive Rehabilitationsmaßnahmen. Zwei zusätzliche pädagogische Kräfte arbeiteten mit den BewohnerInnen praktisch und künstlerisch, um ihr Selbstwertgefühl zu stärken. Die Umgestaltung sollte als Modell für die gesamte Einrichtung und möglichst auch für die Petersburger Behindertenarbeit insgesamt wirksam werden. Um diesen Prozess zu fördern, erhielten neben der neuen Direktorin des Heims auch leitende MitarbeiterInnen der Petersburger Gesundheitsverwaltung bei einem Fachaustausch in Berlin und Hamburg Einblicke in die deutsche Gesetzgebung zur Intensivförderung Schwerstbehinderter und deren praktische Umsetzung. Zugleich fanden Fortbildungsmaßnahmen für das Stationspersonal, v.a. die gänzlich unausgebildeten Hilfespflegerinnen, statt. Projektleiterin war Marina Manewskaja von „Perspektivy“. Viele der Behinderten, die auf der Station leben, wurden schon als Kinder von der Organisation betreut.

Mit finanzieller Hilfe des Diakonischen Werks Stuttgart.

III. "Wissen, um zu helfen" - Verbesserte Rehabilitation und individuelle Förderung von mehrfach schwerstbehinderten Kindern in Pavlovsk durch Qualifizierung (5/2009-2/2012)

Im Mai 2009 begann ein Qualifizierungskurs für staatliche und nichtstaatliche Mitarbeiter_innen des Heims für schwerstbehinderte Kinder Nr. 4 in Pavlovsk, organisiert von Perspektivy, dem DRA und zwei Hamburger Behinderteneinrichtungen. Das von Natalja Kniasjeva (Perspektivy) geleitete Lehrprogramm enthielt Themenblöcke wie »Hinwendung zum Menschen/Menschenbild« und »Grundkenntnisse der Pflege«, Kontaktaufbau zu schwerstbehinderten Kindern und spielmethodische Ansätze. Expert_innen aus Hamburg, Potsdam und Zürich sowie aus russischen Einrichtungen sensibilisierten die rund 40 Teilnehmer_innen u.a. für die Lernfähigkeit und Kommunikationsbedürfnisse schwerbehinderte Kinder sowie für die Entwicklung der Selbstständigkeit und emotionaler Bindungen der Kinder. Für die meisten der staatlichen Hilfspfleger_innen war es die erste Qualifikation in diesem Beruf überhaupt -  wegen der niedrigen Löhne können Behinderteneinrichtungen in Russland oft nur Ungelernte für die Pflege einstellen.

Das Ziel, ein Modell für die Teamarbeit staatlicher und nichtstaatlicher Mitarbeiter_innen im Heim zu entwickeln, konnte nicht vollständig realisiert werden, obwohl dies auch für die Heimleitung und die städtische Sozialverwaltung immer bedeutsamer wird, die juristisch gesicherte Strukturen als Vorbedingung einer langfristigen Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Akteuren ansehen. Erarbeitet wurden eine vertragliche Regelung zwischen Perspektivy und dem Heim sowie abgestimmte Arbeitsverteilungspläne. Jedoch erwies sich der Widerstand der Heimleitung gegen eine echte Beteiligung an Planungsprozessen sowie auch eine Qualitätskontrolle seitens der NGOs und weiterer beteiligter Elterninitiativen als zu groß, um systemische Veränderungen zu erreichen. Der Wechsel der Heimleitung eröffnete hier letztlich aber neue Chancen.

Das Projekt wurde vom Diakonischen Werk Stuttgart, der Caritas Osnabrück und der Aktion Mensch gefördert.

 

Der DRA engagiert sich außerdem in der Behindertenarbeit in Belarus, insbesondere durch die Vermittlung von Freiwilligen in Organisationen in Mogilev und Gomel.